An den alten Bierflaschen kann man die vielfältige Entwicklung der Brauereien in Mainz sehr gut nachvollziehen.Die geprägten Flaschen, anfangs nur mit Schrift, später mit Motiven wie dem Mainzer Rad, Gutenberg, peter Schöffer, Holzturm, Sonne, St. Martin… verziert, zeigen bereits vor 1900 das Besteben, Mainzer Bier unverwechselbar zu machen. Am Anfang waren Namen oder Motive noch nicht geschützt. So entstanden viele Brauereien mit gleichen Namen, die nur durch die Ortsangaben zu unterscheiden waren. Oftmals benutzten die Brauereien gleiche Logos oder Motive. Später erfolgten auch hier Schutzmarken.
Die handwerkliche Kunst, die zwei Hälften eines Flaschenkörpers aus Holz mit diesen Motiven zu schnitzen, dann mit Klammern zusammen zu setzen und mit der heißen zähflüssigen Glasmasse vom Glasblässer ausblasen zu lassen, war schon faszinierend. Da die Holzformen aber durch das glühende Glas nicht sehr langlebig waren, mussten sie oft ersetzt werden. Von verschiedenen Formenbauern geschnitzt, wiesen sie immer wieder kleine oder größere Abweichung im Motiv oder Schrift auf.
Inhaltsangaben
Mal war das Glas dann dicker, mal dünner, die Flasche mal größer, mal etwas schief und auch mit dem Fassungsvermögen nahm man es nicht so genau. Es gab ja noch keine Eichung. So wurden anfangs viele Flaschen ohne Angaben der Inhaltsmenge geprägt und wiesen beim Nachmessen sehr interessante Füllmengen auf. Da sind dann in anscheinend 1/2 Literflaschen 600ml, 685 ml, ja sogar 700 ml keine Seltenheit. Es finden sich auch sonst alle erdenklichen Größen von Flaschen: von 2/8 über 3/8 für den kleinen Durst gab es auch große Flaschen mit 0,7 bis 0,9 l. Inhalt. Die häufigste Füllmenge aber bleib aber der halbe Liter. Später wurden dann die Inhaltsangaben mit auf die Flaschen geprägt. Auch zeigten Eichringe am Flaschenhals zusätzlich noch den Füllstand an.
Prägeunterschiede
Der Betrachter alter Bierflaschen kann schnell auch andere Unterschiede erkennen. So findet man auf den Bierflaschen der Rheinischen Brauerei aus Weisenau, daß der Gutenberg mal einen flachen, dann mal wieder einen hohen Hut trägt. Auch sein Bart variiert auf den Flaschen.
Bei der Sonnenbrauerei sind die Abbildungen der Sonne unterschiedlich groß, das Pferd ist mal kleiner, mal kräftiger.
Beim Holzturm, dem Motiv der Bärenbrauerei, sind die Fenster mal eckig, mal rund, die Türmchen kleiner oder größer.
Die Altmünster fällt durch Variationen des Logos auf, mal rund, mal mehr oval, auch der Stab der Bilhildis ist einmal nur im Kreis, dann außerhalb. Auch die Abbildung des Klosters verändert sich.
Motive im Wandel der Zeit
Ganz deutliche Unterschiede im Motiv weisen darauf hin, daß die Flaschen in einem großen zeitlichen Abstand hergestellt wurden.
So findet man auf der ersten Flasche der Brauerei zum schwarzen Bären einen aufrecht stehenden Bären später wurde das Motiv durch den Holzturm ersetzt.Die letzten Flaschenprägungen sind dann nur noch der Schriftzug ohne Motiv.
Die Sonnenbrauerei wechselt im Laufe ihres Bestehens vom anfänglichen Sonnenbild über eine halbe Sonne zum Motiv des St. Martin zu einem schon fast überladenen Prägebild einer Sonne auf der Vorderseite und dem St. Martin Motiv auf der Rückseite der Flasche. Hier wird auch der Besitzerwechsel deutlich, da der Name ( Schmitt bzw Mayer bzw Kohl ) stets Bestandteil der Flaschenprägung war.
Auch die Rheinische wechselte mehrmals das Motiv. Einem springenden Pferd folgten Abbildungen von Gutenberg oder des Mälzersterns. Das gängigste Motiv ist aber die Darstellung des Gutenberg.
Die Schöfferhof begann mit dem Motiv eines Löwen, gefolgt von Peter Schöffer an der Druckerpresse. Auch hier ist die Umwandlung der Firmierung auf den Flaschen erkennbar, von Hofbräuhausbier Schöfferhof über Hofbrauhaus Schöfferhof zu Schöfferhof Brauerei.
Die Altmünsterbrauerei blieb ihrem gewählten Bild der heiligen Bilhildis treu, lediglich die ersten Flaschen trugen statt Motiv den nemen des damaligen Besitzers E. Meyer.
Die Mainzer Aktien Bierbrauerei änderte nur in der Anfangszeit der Flaschenproduktion das Motiv, mal war es ein Doppelrad, dann ein Doppelrad in einem Wappen, bis man sich schnell auf die bekannte Darstellung eines Rades mit 6 Speichen festlegte und diese Motiv schützte.
Ortsbezeichnungen als Altersnachweis
Auch an den Ortsbezeichnungen kann man die geschichtliche Veränderung unserer Stadt sehr gut verfolgen. Viele heute eingemeindete Vororte waren noch lange eigenständig. Es finden sich Prägungen mit den Ortsbezeichnungen Gonsenheim, Weisenau, Bretzenheim, Bretzenheim bei Mainz, Hechtsheim, Kastel, Mainz-Kastel, was oftmals die Bestimmung des Alters einer Flasche erleichtert.
Auch die Schreibweise verrät viel: Flaschen mit Prägungen Eigenthum mit th oder Actien noch mit c seien hier als Beispile aufgeführt.
So lassen sich an den Flaschenprägungen der unterschiedlichen Brauereien und Abfüller zahlreiche Unterschiede erkennen, aber auch die Bedruckung der Flaschenverschlüsse ändert sich manchmal.
Wandel der Prägeflaschen zur Etikettenflasche
Mit fortschreitender Zeit wurden die Flaschen maschinell hergestellt. Die Stahlformen waren erheblich haltbarer und so entfielen die kleinen Unterschiede. Doch auch diese Herstellungsart war nicht perfekt, so sieht man auf einer Schöfferhofflasche, daß im Wort unverkäuflich tatsächlich der Buchstabe c vergessen wurde.
Die zunehmende Vielzahl an Biersorten erforderte auch eine unterschiedliche Kennzeichnung. Anfangs noch mit Etiketten, die am Verschluß mit einer Kordel befestigt waren (sg. Kordeletiketten ) folgten nun größere Etiketten und verdrängten schließlich die geprägten Flaschen, da statt einer Prägung der Platz für die Etikettierung benötigt wurde. Die Enheitsflasche nach DIN hielt Einzug, auch ein sehr großer Vorteil fur die Kunden. Konnte man nun doch alle Flaschen beim Händler abgeben und nicht mühsam die geprägten Flaschen zu den Brauereien oder den ausgewiesenen Verkaufsstellen zurück bringen.
Mit Einführung der Etiketten konnte schneller auf Sorten, Jahreszeiten oder Feste reagiert und gekennzeichnet werden, immer mit den gleichen Flaschen, nur mit anderen Etiketten.
Fundorte und Suche nach alten Bierflaschen
Als Sammler alter Bierflaschen gibt es für mich immer wieder Neues zu entdecken. Auch wenn z.Zt. mehr als 400 Bierflaschen in meiner Sammlung sind, gibt es immer wieder unbekannte Exemplare oder Ausführungen mit dem ein oder anderen kleinen Unterschied. Oft stehen die Flaschen noch in Kellern oder Gärten und warten nur darauf, von mir aufgespürt zu werden. Als Behälter für Lack oder Lebensmittel oder als Wegbegrenzung im Garten gibt es bestimmt noch einige Stücke, die mir gerne etwas aus ihrer Vergangenheit erzählen würden.
Sollte ein Leser dieses Artikels noch alte Flaschen aus Mainz und Umgebung besitzen, freue ich mich über einen Kontakt.